Montevideo. Der neu gewählte Präsident von Uruguay, Tabaré Vázquez, hat die Bildung einer "Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit" (Comision de Verdad y Justicia) bekannt gegeben, um die Verbrechen der Militärdiktatur aufzuarbeiten und das Schicksal der damals Verschwundenen zu klären.
Nunmehr 30 Jahre sind seit dem Ende der Diktatur vergangen, bis Uruguay sich entschloss, eine Wahrheitskommission ins Leben zu rufen. In den 70er Jahren galt Uruguay als die "Folterkammer Lateinamerikas". Laut Amnesty International waren allein 1976 mehr politische Häftlinge – in Relation zur damaligen Gesamtbevölkerung von drei Millionen - in den Gefängnissen des Landes als irgendwo sonst auf der Welt. Insgesamt wurden 40.000 Menschen während der Diktatur verhaftet, die meisten gefoltert und viele ermordet. Bis heute ist das Schicksal von rund 200 verschleppten Menschen ungeklärt.
"Wo sind sie? Warum das Schweigen?" Transparent beim Schweigemarsch
für die Verschwundenen 2014 - QUELLE: VILMA GUZMÁN
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Vázquez der am 1. März das Amt des Präsidenten antreten wird, hat angekündigt, dass die Kommission solange arbeiten werde, "bis auch die Wahrheit über den Letzten der Verschwunden geklärt sein wird". Er hatte bereits im Wahlkampf zugesagt, dass er das Schicksal der Verschwundenen aufklären wolle. "Es fehlt an Informationen seitens des Militärs. Wir müssen diese Informationen suchen, denn irgendwo gibt es sie", sagte er damals.
Im Gegensatz zu Argentinien, wo bereits in den 80er-Jahren eine Wahrheitskommission eingerichtet wurde, die über 12.000 Fälle von Verschwundenen dokumentiert hat, wurde in Uruguay lange Zeit der Mantel des Schweigens über die Zeit der Diktatur (1973-1985) gelegt. Julio María Sanguinetti, der im Jahr 1985 Präsident wurde, amnestierte bei seinem Amtsantritt die politischen Häftlinge und richtete eine Sonderkommission ein, um die Rückkehr uruguayischer Staatsbürger aus dem Exil zu erleichtern. An Aufklärung oder Strafverfolgung war ihm jedoch nicht gelegen. Die von Menschenrechtsorganisationen und der Opposition geforderte Einrichtung einer Wahrheitskommission wurde damals abgelehnt. 1986 ließ Sanguinetti mit dem Hinweis auf eine drohende Staatskrise eine weitreichende Amnestie durch das Parlament verabschieden. Das "Hinfälligkeitsgesetz" (Ley de Caducidad) setzte der zunehmenden zivilen Strafverfolgung von Militär- und Polizeiangehörigen ein abruptes Ende. Mitte der 90er-Jahre forderten Menschenrechtsorganisationen erneut die Aufarbeitung der Verbrechen der Diktatur ein, zunächst ohne Erfolg. Erst unter Präsident Jorge Battle wurde im März 2000 eine "Kommission für den Frieden" eingerichtet. Das brachte die Diktatur erneut auf die politische Agenda. Anlässlich ihres Abschlussberichts im Jahr 2003 erkannte der Staat erstmals offiziell seine Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit an. Battle wollte damit jedoch einen Schlussstrich gezogen wissen und weitere Nachforschungen ruhen lassen.
2005 kam mit Tabaré Vázquez von der Frente Amplio (FA) zum ersten Mal eine linke Regierung an die Regierung. Vázquez forderte damals offiziell die Stabschefs von Heer, Marine und Luftwaffe dazu auf, Informationen über das Schicksal der "Verschwundenen" herauszugeben. Ein weiterer Anlauf, das Amnestiegesetz, wie bereits 1989, mit einen Referendum zu kippen, scheiterte jedoch 2009 erneut. Es ist bis heute nicht aufgehoben, aber zumindest sind Einzelklagen nun zulässig und seit Regierungsantritt der FA wurden Dutzende Militärs verurteilt. Zudem stimmten im Oktober 2011 die Parlamentarier dafür, dass Menschenrechtsverletzungen nicht verjähren dürfen.
Mitglied der Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit wird der neue Präsident Vázquez selbst sein, ebenso sein Vize Raúl Sendic (Sohn des Mitbegründers der Tupamaros gleichen Namens) und die beiden Abgeordneten Macarena Gelman und Felipe Michelini, Sohn des während der argentinischen Diktatur ermordeten Politikers Zelmar Michelini. Für die aus Afrika stammende Gemeinschaft hat Susana Andrade einen Sitz in der Kommission. Emilia Carlevaro repräsentiert die Organisationen von Opferangehörigen, und für die Kirchen sind Ademas Olivera (Methodistenkirche) und Mario Cayota (katholische Kirche) sowie Pedro Sclofsky für die jüdische Gemeinde vertreten.
Von Gunda Wienke
amerika21
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