Großer Konzern gegen kleines Land: Der Zigarettenhersteller Philip Morris verklagt Uruguay auf Schadenersatz. Das südamerikanische Land soll gegen ein Investitionsschutz-Abkommen verstoßen haben.
Der Rechtsanwalt Andrés Cerisola ist in diesem Fall vielleicht nicht völlig neutral. Denn Sitz seiner Kanzlei ist Montevideo, die Hauptstadt von Uruguay. Andererseits gilt Cerisola als ausgemachter Experte auf dem Gebiet des Handels- und des Investitionsschutzrechtes. Und als solcher macht er dem Beklagten Mut: "Es ist ein Verfahren, das Garantien gibt und sehr unabhängig ist. Uruguay kann seinen Fall darstellen, und, wie ich glaube, mit guten Aussichten auf Erfolg."
Großer Konzern gegen kleines Land
Doch längst nicht alle Beobachter sehen die Sache so optimistisch: Weltweit interessieren sich Regierungen, Konzerne und Organisationen für die juristische Schlacht zwischen dem Tabakmulti Philip Morris International und dem kleinen südamerikanischen Staat Uruguay. Der Zigaretten-Hersteller hat das Land verklagt, nachdem Uruguay ausgesprochen rigide Anti-Tabakgesetze verabschiedet hatte. Die schreiben unter anderem vor, dass vier Fünftel einer Zigarettenschachtel mit Schockbildern beklebt werden müssen. Für die Präsentation der eigentlichen Marke darf auf der Packung nur ein kleiner, grauer Streifen beschriftet werden. Verkaufsfördernde Zusätze wie "Light", "Filter" oder "Gold" müssen gleich ganz verschwinden.
Das ging Philip Morris deutlich zu weit: Der Konzern sieht den Wert seiner Investitionen in Uruguay geschädigt. Außerdem, argumentiert das Unternehmen, würden durch die Vorschriften bei der Gestaltung der Schachteln Urheberrechte von Philip Morris verletzt. Dafür soll Uruguay jetzt ziemlich tief in die Staatskasse greifen: 25 Millionen Dollar Schadenersatz fordert die Zigarettenfirma. Entscheiden soll das internationale Schiedsgericht ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes), das zur Weltbank gehört.
Rechtssicherheit und Investitionsschutz
Grundlage für das Verfahren ist ein Investitionsschutz-Abkommen, das Uruguay und die Schweiz 1998 abgeschlossen haben. Da der US-Konzern Philip Morris auch eine Niederlassung in der Alpenrepublik hat , kann er sich auf das Abkommen berufen. Das Schiedsgericht ICSID hat nach langen Prüfungen erklärt, für den Fall zuständig zu sein. Zu beneiden sind die drei Richter nicht. Denn ihr Spruch wird weltweit Bedeutung haben - egal wie er ausfällt. Der uruguayische Völkerrechtsexperte Didier Opertti spricht von einer Kollision zwischen "internationalen Normen von universeller Bedeutung und einer bilateralen Norm, die nur zwei Partner betrifft".
Die Kombination aus Abkommen und Schiedsgericht soll Unternehmen Rechtssicherheit verschaffen und vor politischer Willkür schützen. Besonders in Lateinamerika haben ausländische Firmen immer wieder Probleme mit spontanen Enteignungen oder anderen Auflagen, die gerade ins Konzept der aktuellen Regierung passen: 2012 hatte Argentinien quasi über Nacht eine Tochtergesellschaft des spanischen Ölkonzerns Repsol verstaatlicht. Mit ähnlichen Maßnahmen drohen auch die Regierungen in Bolivien, Ecuador und Venezuela gerne. Bezeichnenderweise sind sie vor Jahren aus dem Schiedsgerichtssystem ausgetreten.
Privater Profit gegen öffentliche Gesundheit
Doch im Streit zwischen dem Tabakkonzern Philip Morris und dem Staat Uruguay geht es um viel mehr als um den Schutz von Investitionen: Es geht darum, was schwerer wiegt: das Recht eines Unternehmens auf den Wert seiner Anlagen und auf seinen Profit. Oder das Recht eines Staates, seine Bevölkerung mit gesundheitspolitischen Maßnahmen zu schützen. Uruguays Gesundheitsministerin Susana Muñiz vermutet, dem Zigarettenhersteller gehe es gar nicht um ihr kleines Land: "Wir wissen, dass Philip Morris am uruguayischen Markt gar nicht interessiert ist. Aber Uruguays Antitabak-Gesetze gehören zu den härtesten der Welt. Philip Morris will nicht, dass andere Staaten diesem Beispiel folgen."
Das Investitionsschutz-Abkommen stellt klar, dass beide Partnerstaaten bestimmte Geschäfte nicht akzeptieren müssen - zum Beispiel, wenn sie die öffentliche Gesundheit betreffen. Bevor sich das südamerikanische Land zum Nichtraucher-Paradies machte, war Philip Morris allerdings mit seinen Produkten hochwillkommen: Uruguay erließ dem Unternehmen nicht nur Steuern in Millionenhöhe, sondern auch die Einfuhrgebühren für die Produktionsanlagen. Doch 13 Tabaktote pro Tag ließen den damaligen Präsidenten und gelernten Krebsarzt Tabaré Vázquez im Jahr 2006 die gesundheitspolitische Reißleine ziehen. Seitdem ist das öffentliche Uruguay rauchfrei.
"Eine Schlacht gewinnen, aber den Krieg verlieren"
Bis das Schiedsgericht seine Entscheidung trifft, können noch Monate vergehen. Uruguay musste sich einige Formfehler vorwerfen lassen. Trotzdem sei das Land in einer guten Position, meint der argentinische Anwalt Carlos Correa von der Weltgesundheitsorganisation WHO: "Die Investitionen von Philip Morris sind nicht schützenswert, weil die Kosten, die der Staat für die Folgen des Tabakkonsums zahlen muss, viel höher sind als die Gewinne des Unternehmens."
Und selbst wenn der Zigarettenhersteller siegen sollte, könnte er ein Problem bekommen: Möglicherweise entwickeln die Staaten dann ganz neue, gemeinsame Strategien im Kampf gegen den Tabakkonsum. "Dann hätte Philip Morris eine Schlacht gewonnen, aber den Krieg verloren", sagt Experte Correa.
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